Solarstrom-Förderung auf schwachen Beinen

12. November 2013
Die Aufgaben- und Leistungsüberprüfung 2013 zur Entlastung des städtischen Haushalts von Gossau ortete bei den Beiträgen zur Solarstrom-Förderung Sparpotential. Die vertiefte Prüfung dieser Entlastungsmassnahme hat gezeigt, dass diese Förderung auf wackligen Grundlagen steht. Der Stadtrat setzt alles daran, diese Punkte zu bereinigen.
Solarstrom boomt und das nicht erst seit der Atomkatastrophe von Fukushima. Die Stadt Gossau hat diese Entwicklung frühzeitig aufgenommen und im Jahr 2010 mit ihrem Energiekonzept ein wichtiges energiepolitisches Zeichen gesetzt. Als zentrales Anliegen galt die Schaffung von Anreizen zur vermehrten lokalen Produktion und Nutzung von erneuerbarer Elektrizität. Die Fördermittel des Bundes für die Produktion erneuerbarer Energie sind beschränkt, entsprechend lang sind die Wartefristen für Interessierte.

Gefragte Fördermittel
Die allgemeine Energie-Euphorie und der Boom der Solar-Energie veranlassten die Stadt Gossau zu zwei Massnahmen. Zum einen werden seit 2009 aus dem städtischen Energiefonds einmalige Förderbeiträge geleistet. Zum anderen kaufen die Stadtwerke seit 2011 Solarstrom zu kostendeckenden Preisen - kurz KEV genannt (KEV = kostendeckende Einspeisevergütung). Das KEV-Modell Gossau haben die Gossauer Stadtwerke entwickelt; es lehnt sich stark an das nationale KEV-Modell an.
Bis heute sind rund 60 Projekte nach dem Gossauer Finanzierungsmodell realisiert. Diese lösen bei den Stadtwerken jährliche KEV-Beitragszahlungen von rund 1.4 Mio. Franken aus. Dadurch entstand für die Stadt Gossau eine Verpflichtung über einen Zeitraum von 25 Jahren von CHF 33 Millionen. Aufgrund der immensen Nachfrage haben die Stadtwerke Gossau bereits ab Herbst 2011 keine neuen KEV-Beitragsgesuche mehr entgegen genommen.

Entlastungsprogramm als Auslöser
In der Aufgaben- und Leistungsüberprüfung 2013 wurde die KEV-Förderung als mögliches Sparpotential diskutiert. Der Stadtrat hat in der Folge beschlossen, die Reduktion der Beitragsleistungen als Entlastungsmassnahme zu prüfen. Er beantragt dem Parlament nun mit dem Zusatzbericht zur Aufgaben- und Leistungsüberprüfung auf die Sitzung vom 3. Dezember, dass die jährlichen KEV Beiträge von CHF 1.4 Millionen auf CHF 700'000 halbiert werden sollen.

Überfinanziert und nicht rechtskonform
Im Rahmen seiner Abklärungen liess der Stadtrat das KEV-Modell Gossau durch externe Fachleute auch aus rechtlicher und betriebswirtschaftlicher Sicht prüfen. Die vorläufige Beurteilung der Experten ist unerfreulich. Die Fachleute sind sich einig, dass die jährlich ausbezahlten KEV-Entschädigungen von 1.4 Mio. Franken zu hoch ausfallen.
Ebenfalls wurde das KEV-Modell Gossau ohne die erforderliche kommunale gesetzliche Grundlage umgesetzt. Schliesslich bemerken die Experten, dass das KEV-Modell Gossau aufgrund der finanzrechtlichen Komponenten referendumspflichtig gewesen wäre. Es hätte dem Parlament und der Gossauer Stimmbürgerschaft zum Entscheid unterbreitet werden müssen.

Weitere Abklärungen nötig
Dem Stadtrat liegen die Erkenntnisse der Fachleute seit kurzem vor. Er bedauert die Situation und setzt nun in enger Zusammenarbeit mit den Beteiligten auf rasche und zielführende Massnahmen. Die bisherigen Resultate machen weitergehende rechtliche und betriebswirtschaftliche Abklärungen nötig. Ein zentraler Punkt ist das Vorgehen zur Anpassung der KEV-Verträge. Der Stadtrat wird die Sachlage in den kommenden Wochen umfassend aufbereiten und im Februar 2014 wieder orientieren.

Das KEV-Modell Gossau
Das nationale KEV-Modell (kostendeckende Einspeisevergütung) macht immer wieder durch lange Wartezeiten von sich reden. Eng angelehnt an dieses hat die Stadt Gossau ihr eigenes KEV-Modell entwickelt. Die Stadtwerke Gossau kaufen zu den KEV-Ansätzen des Bundes den erneuerbar produzierten Strom ein und speisen diesen ins eigene Netz. Dadurch wurde 2011 das Interesse auf privater Investorenseite wach. Rund 60 Verträge konnten mit Privaten, Landwirtschafts- und Industriebetrieben abgeschlossen werden. Deren Photovoltaikanlagen produzierten immerhin rund 3.6 Millionen Kilowattstunden Solarstrom der in den Gossauer Stromprodukten vermarktet wird. Damit wird der Anteil Atomstrom im Gossauer Strom-Mix reduziert. Mit der produzierten Menge können 650 Einfamilienhäuser versorgt werden.